Erbgutpuzzle: Forscher rekonstruieren die "Urgroßeltern" von Krokodil und Pinguin

Ein Großcousin des Pinguins: Der Missisippi-Alligator gehörte zu den in die Studie einbezogenen Tieren Zeichnung: Jón Baldur Hlíðberg, © Jürgen Schmitz

Die Letzten ihrer Gruppe: Vor 240 Millionen Jahren trennten sich die Ahnenlinien von Krokodilen und Vögeln, den bis heute überlebenden Archosauria. Damit stehen Krokodile den Vögeln näher als Schildkröten, Schlangen und Echsen.

Ein internationales Team mit münsterischer Beteiligung hat jetzt das Erbgut ihres gemeinsamen Urahnen zum Teil rekonstruiert. „Jurassic Park” bleibt aber Science Fiction: Das rekonstruierte Genom ist fragmentarisch, und wie dieser Urahn aussah, kann die Wissenschaft nicht klären.

Als sich die Ahnenlinien trennten, hatten weder Flugsaurier noch Dinosaurier auf der Weltbühne debütiert. Sie entwickelten sich erst aus dem Archosauria-Urahn in dem Zweig, aus dem später Kolibri und Strauß, Adler, Spatz und Pinguin hervorgingen. Genau genommen sind die Dinosaurier nie komplett ausgestorben, sondern leben als Vögel fort.

Während die beeindruckende Vielfalt dieses Zweiges schon Grundschulkinder fasziniert, ließen ihre Verwandten es gemächlicher angehen: Das Genom von Krokodilen und ihren Vorfahren veränderte sich vergleichsweise langsam, möglicherweise besonders wegen der über die Evolutionsgeschichte durchschnittlich längeren Generationenfolge.

„Heute leben noch drei Familien von Krokodilen”, erläutert Privatdozent Dr. Jürgen Schmitz, der am Institut für Experimentelle Pathologie der Uni Münster forscht und mit seinem Team am Projekt beteiligt war: „Alligatoren, Gaviale und Echte Krokodile, die ihre letzten gemeinsamen Vorfahren vor 80 bis 90 Millionen Jahren hatten. In einem internationalen Projekt haben wir Erbgut von drei Vertretern dieser Familien – Mississippi-Alligator, Ganges-Gavial und Leistenkrokodil – gesammelt und analysiert. Zusammen mit dem Erbgut von Vögeln ließen sich rund 584 Millionen Basenpaare des gemeinsamen Vorfahren von Krokodilen, Flugsauriern, ausgestorbenen Dinosauriern und Vögeln rekonstruieren – das entspricht etwa einem Viertel des Erbgutes. Wir schätzen die Genauigkeit des partiell rekonstruierten Genoms auf mehr als 90 Prozent.”

Wie das namenlose Tier im Detail ausgesehen hat, werden die Wissenschaftler mit dem Genom nicht klären können. Dafür können sie daran aber erforschen, was die genetische Grundlage des Gigantismus mancher Dinosaurier oder des Fluges der Vögel ausmacht. Aus weiteren Erbgutanalysen konnten die Forscher schließen, dass die Populationsgrößen aller Krokodillinien im Pleistozän (etwa 2,6 Millionen bis 11.700 Jahre in der Vergangenheit) zurückgingen, wahrscheinlich wegen der globalen Abkühlung in diesem Zeitalter.

Das Multigenom-Projekt wurde von den Amerikanern David A. Ray (Mississippi State University) und Richard E. Green (University of California, Santa Cruz) geleitet. Zu den münsterischen Autoren des nun in der Fachzeitschrift „Science” veröffentlichen Artikels gehört neben Schmitz auch Dr. Alexander Suh, der als Postdoktorand mehrere Monate in Rays Team gearbeitet hat. Suh ist Fachmann für springende Gene (Transposons), die einzigartige Einblicke in die Evolutionsgeschichte geben können. Suh und Kollegen verfassten einen weiteren Artikel für die Fachzeitschrift Genome Biology and Evolution.

Publikationen:

Green, Richard E. et al. (2014): Three crocodilian genomes reveal ancestral patterns of evolution among archosaurs. In: Science. Doi: http://dx.doi.org/10.1126/science.1254449

Suh, Alexander et al. (2014): Multiple lineages of ancient CR1 retroposons shaped the early genome evolution of amniotes. In: Genome Biology and Evolution. Doi: http://dx.doi.org/10.1093/gbe/evu256

Redaktion:

Dr. Thomas Bauer

Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Fachbereich Medizin / Dekanat
Referat Presse & Public Relations
Domagkstraße 3
48149 Münster
Tel: 0251-83-58937 / mobil: 0171-4948979
Web: http://www.campus.uni-muenster.de 

Media Contact

Dr. Christina Heimken idw - Informationsdienst Wissenschaft

All latest news from the category: Life Sciences and Chemistry

Articles and reports from the Life Sciences and chemistry area deal with applied and basic research into modern biology, chemistry and human medicine.

Valuable information can be found on a range of life sciences fields including bacteriology, biochemistry, bionics, bioinformatics, biophysics, biotechnology, genetics, geobotany, human biology, marine biology, microbiology, molecular biology, cellular biology, zoology, bioinorganic chemistry, microchemistry and environmental chemistry.

Back to home

Comments (0)

Write a comment

Newest articles

Combatting disruptive ‘noise’ in quantum communication

In a significant milestone for quantum communication technology, an experiment has demonstrated how networks can be leveraged to combat disruptive ‘noise’ in quantum communications. The international effort led by researchers…

Stretchable quantum dot display

Intrinsically stretchable quantum dot-based light-emitting diodes achieved record-breaking performance. A team of South Korean scientists led by Professor KIM Dae-Hyeong of the Center for Nanoparticle Research within the Institute for…

Internet can achieve quantum speed with light saved as sound

Researchers at the University of Copenhagen’s Niels Bohr Institute have developed a new way to create quantum memory: A small drum can store data sent with light in its sonic…

Partners & Sponsors